Ich sitze im Speisesaal.
Diesmal habe ich einen Sitzplatz am Ende des Raumes, sitze mit dem Rücken zu den weiteren Gästen des Hauses. Dafür habe ich aber den ungeteilten Blick auf die Plastik an der Wand vor mir, Ihr seht sie auf dem angefügten Photo.
Eigentlich ist sie mir bei meinem letzten Besuch bereits aufgefallen, aber ich habe sie nur flüchtig wahrgenommen. Jetzt aber hängt sie quasi vor mir, zum Greifen nah.
13 Köpfe, in Regenbogenfarben gehüllt.
Das letzte Abendmahl.
Je länger der Blick darauf verharrt, desto mehr entdeckt man.
Den Kopf von Johannes an der Stelle wo die Brust von Jesus wäre, den abgewandten Kopf von Judas, in dunkel gehalten...
Eine Plastik von 13 Köpfen, in Regenbogenfarben gehüllt, inmitten eines Klosters.
An einer zentralen Stelle, im Speisesaal der Gäste.
Sie hängt dort vollkommen selbstverständlich.
Ich freue mich darüber und denke mir: Wouw - wie Mutig - Großartig.
Denn vor einigen Wochen hatte ich noch etliche Diskussionen über den Sinn und Zweck von Regenbogenfahnen an Kirchtürmen, in sakralen Räumen, an Altären und als Stolen über den Messgewändern verfolgt. Ganz schön derbe ging es dabei zu, erschreckend wertend ohnehin. Hier aber hängt es einfach friedlich, selbstverständlich und zeigt eine zentrale Szene unseres Glaubens, eben nicht nur in schwarz/weiß sondern in allen Farben, es regt zum Nachdenken an und lädt dazu ein.
Auch mir schießen während meiner Betrachtung Gedanken durch den Kopf, vornehmlich darüber, was ich in Bezug auf die Diskussionen der Regenbogenfarben erleben musste.
Unfaire Bewertungen und Urteile,
wie schnell bilden wir Menschen uns eine Meinung über unseren Nächsten, ohne diesen wirklich zu kennen?
Schnell werten wir seine Lebenssituation ab, nur weil sie uns nicht ins eigene Konzept passt, wir sie nicht verstehen, weil uns etwas darin fremd oder befremdlich ist.
Warum stellen wir uns nicht gegen die Gefühle von Überheblichkeit und falschem Stolz, wenn wir sie in uns aufziehen spüren?
Worte verlassen unseren Mund viel zu schnell, so schnell, dass wir kaum darüber nachgedacht haben können.
Wir missbrauchen unsere Sprache, unsere Stimme und schmieden symbolisch Waffen aus selbigen.
Mein Blick fällt auf das Wasserglas vor mir, ich spiegele mich darin.
Genau die richtigen Fragen, Sascha - sagt mir die innere Stimme während ich mir in meiner Spiegelung ins Gesicht schaue. Oh ja, denke ich mir, denn auch ich bin davor nicht gefeit, tappe ebenfalls häufig in die "Meinungs-Falle."
Dabei müssen wir doch nur unser Herz öffnen und berühren lassen.
Ist uns denn nicht etwa ein großes Geschenk gemacht worden mit dem Geist als Beistand. Jener Geist, der in uns bewirken kann, das göttliche Sein auch in JEDEM Gegenüber zu erkennen und ihm in Liebe zu begegnen. Eigentlich ganz einfach, wir müssen uns nur darauf einlassen. Noch einmal streift mein Blick die Plastik an der Wand vor mir.
Ich entdecke ein Lächeln auf einem der 13 Köpfe und lächele zurück. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit der Plastik und habe heute Abend erst einmal eine Verabredung mit mir selber und ein paar Fragen.
Fragen die mir weiterhelfen beim...
...Wachsen im Glauben.
Photo © Sascha Nikolas Berger
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