Wieder einmal sitze ich daheim und habe Zeit nachzudenken.
Zum einen denke ich ja gerne morgens ein wenig rum, zum anderen hatte ich noch eine Frage zu beantworten.
Meine Gedanken kreisen um das Thema "Begegnungen." Noch immer stecken wir inmitten einer Pandemie, noch immer gelten Kontaktbeschränkungen und Einschränkungen des täglichen Lebens. Es droht uns sogar noch eine Verschärfung jener Beschränkungen. Besonders dieser Tage, wo wir also ganz bewusst wenige Begegnungen erleben, lohnt es sich besonders, noch einmal über die vergangenen nachzudenken.
Sehr viele Menschen sind mir in meinemLeben bislang begegnet, an einige kann ich mich immer noch gut erinnern, andere hingegen habe ich vergessen oder sogar bewusst verdrängt.
Obwohl mir auch Menschen begegneten, die mir nicht gut taten, mir nicht gut gesonnen waren und die mit Sicherheit auch eine Betrachtung wert wären, möchte ich heute ganz bewusst nur die "positiveren" Begegnungen betrachten.
Mir begegneten unter anderem:
Menschen, die mir gut getan haben und die mich in meiner jugendlichen Entwicklung geprägt haben. Menschen, die mir Halt und Orientierung gaben, dort, wo meine Eltern kläglich versagten.
Menschen, die mir Werte nahebrachten, die mir heute noch wert und wichtig sind.
Menschen, die nur eine kurze Zeit an meiner Seite waren, die aber einen tiefen und bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
Menschen, die mir durch ihr "Sein und Schaffen" zu Vorbildern geworden sind. Menschen, die mir offensichtlich aus gutem Grund in mein Leben gesandt wurden.
Menschen, die Trost, Hilfe und Rat suchten und Menschen, die mir selbiges anboten.
Menschen, die mich ausbildeten.
Menschen, die mir heute noch gut tun.
Ganz besondere Begegnungen waren aber die Momente mit Menschen, die ich gar nicht kannte; mit denen ich aber ein Erlebnis teilen durfte, welches irgendwie außergewöhnlich einprägend war. Zum Beispiel:
Die Aids-Waisen in Soweto, mit denen ich eine Wasserbombenschlacht abhielt.
Die 3 japanischen "Omis" in einem Park in Osaka , die mich auf ein Picknick einluden, obwohl wir uns nur mit Händen und Füßen unterhalten konnten.
Die beiden Obdachlosen in Hamburg, mit denen ich Kaffee trank und eine Zigarette rauchte. Eine philippinische Familie in Manila, die auf der Straße lebte und mit denen ich Ostern feiern durfte. Die verwirrte ältere chinesische Dame, die vollkommen orientierungslos durch die Straßen Guangzhous zog und von niemandem außer mir beachtet wurde und mit der ich den halben Tag damit verbrachte, ihr Haus wiederzufinden. Die Eltern, die mich auf einem Flug nach Tel Aviv zur Bar Mitzwa ihres Sohnes am nächsten Tag einluden. Der Arzt in Teheran, der mir die Geheimnisse seiner Stadt zeigte.
Die Marktfrauen in Seoul, die jedesmal, wenn ich mit ihnen am Suppenstand etwas aß, einen riesigen Spaß mit mir "Langnase" hatten.
Die beiden Brüder in Neu-Delhi, die mit mir auf dem Markt Mangos teilten.
Der Prediger einer Gemeinde in Abuja, der unbedingt mit mir in seiner Gemeinde singen wollte.
Der zahnlose Opa, der mit mir auf dem Markt in Aşgabat Tee trank.
Die Menschen, die während meiner Zivildienst- und Arbeitszeit in der Klinik mit ihrer Hand in der meinen gestorben sind, besonders aber auch der SS-Mann, der auf seinem Sterbebett einfach nur erzählen wollte und mich Anfangs vollkommen überforderte und an meine Grenzen brachte.
Ich könnte jetzt noch stundenlang weiterschreiben, denn ich merke, wie viele Begegnungen dann doch hängen geblieben sind.
Allen ist eines gemein: Menschen, die einem Menschen begegneten.
Dem aufmerksamen Leser bis hierhin dürfte aufgefallen sein, es fehlt noch der zweite Teil, das "zum anderen" - richtig!
Der zweite Gedanke kreist um die Beantwortung einer Frage, die mir gestern von einem Freund am Telefon gestellt wurde. "Sascha, wenn Du also glaubst, dann sage mir doch mal, wann Dir Gott schon einmal begegnet ist."
Eine wirklich gute Frage - dachte ich mir gestern bereits schon, auch wenn sie mich mit Sicherheit eher provozieren sollte. Die Antwort darauf ist eigentlich aber auch schon gegeben. Es ist noch gar nicht so lange her, da haben wir ein besonderes Fest gefeiert - Weihnachten. Es ging um die Menschwerdung - dem Menschen gleich.
Wenn ich mir jetzt noch einmal meine Erinnerungen an Begegnungen mit Menschen ansehe, dann braucht es wohl keine weitere Antwort zur Frage mehr, oder?
Ach, wenn unser eigener Glaube nur viel größer wäre...
Photo © Sascha Nikolas Berger
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