Musik für den Nachmittag.
Heute gönne ich mir mal wieder einen Klassiker.
Smetana - Vltava
Die meisten Leute werden jetzt denken:
Ach ja, Smetana - Die Moldau.
Nichts Aufregendes oder gar Bedeutendes.
Aber für mich ist es das.
Wie jedes Kind in meiner Grundschulklasse haben wir dieses Musikstück in der Klasse gemeinsam gehört und mussten dazu ein Bild malen.
Für mich wurde das zu einer Demütigung von epochalem Ausmaß.
Ich konnte und kann einfach nicht Malen oder Zeichnen.
Aus welchem Grund auch immer, es funktioniert einfach nicht.
Und so blamierte mich meine damalige Grundschullehrerin mit meinem Gekritzel zum ersten Mal vor der ganzen Klasse.
Gut gemacht - angewandte Pädagogik in der 3. Klasse im Jahr 1982.
Meine Großmutter nahm sich diese Demütigung sehr zu Herzen.
Wir hörten gemeinsam bei ihr zu Hause noch einmal die Moldau, sie versuchte mir die Hand zu führen, mit ihr gemeinsam etwas zu Papier zu bringen, aber es klappte einfach nicht.
Aber diese sanftmütige Frau gab mich einfach nicht auf.
"Sascha, setz dich auf den Boden, schließ die Augen, hör zu und beschreibe mir, was du siehst, wenn du die Musik hörst..."
Eine Viertelstunde Musik entwickelte sich zu einem Bildersturm in meinem kindlichen Kopf. Ein Reigen bunter Bilder, der nie enden wollte. Und immer wieder dieses angenehme Licht, wenn das "ping" der Triangel ertönte.
Meine Großmutter war ganz beeindruckt von den Bildern, die sich aus meinen Worten ergaben und die sie dann zeichnete und malte. Besonders angetan war sie von meiner Beschreibung des Geräusches der Triangel und warum ich es so faszinierend fand.
Für mich war dieser Klang ein Orientierungspunkt in der gesamten Klangwelle des Orchesters, ein Klang, der mich leitete und auf der Spur hielt.
Meine Großmutter sagte mir, dass mein Talent die Worte seien und dass ich sie mein Leben lang pflegen solle. Ich würde in der Lage sein, die Welt in ganz eigenen Bildern zu sehen, mehr als jeder andere in der Familie zuvor. Damals hatte ich keine Ahnung, wie recht sie damit behalten sollte.
Sie gab mir auch den guten Rat, mein ganzes Leben lang auf den Klang der Triangel zu achten, denn Gott klingt manchmal vielleicht wie eine Trompete oder aber wie das Rauschen der Wellen oder gar das Flüstern des Windes oder eben wie das glockenartige Klingen einer Triangel. Ich solle immer wieder genau hinhören wenn ich dieses Geräusch höre.
Ab und zu suche ich bewusst nach diesem Klang in meinem Leben, so wie heute, und dann habe ich plötzlich auch den zarten Duft von Großmutters Puder in der Nase, spüre die weichen, faltigen Hände auf meinen Händen.
Erinnerungen.
Wunderbar...
© Sascha Nikolas Berger (Photo leider nicht die Moldau sondern der Rhein)
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