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AutorenbildSascha Nikolas Berger

Gut zu sich selber sein

Letztes Jahr.

Fliegerärztliche Kontrolluntersuchung.

Quasi der TÜV für die fliegende Zunft.

Das volle Programm. Hörtest, Sehtest, Blutabnahme, Urin- und Stuhlprobe, Motorik- und Sensorik-Test und ein Belastungs-EKG.

Das Radfahren strengt an, die Arzthelferin spornt an.

Ich trete in die Pedale, als ob ich den Giro d’Italia gewinnen möchte und spüre irgendwann ein komisches Gefühl in der Brust. Nichts Schlimmes, aber es ist mir aufgefallen. Das wird schon nichts sein - denke ich mir - immerhin strample ich hier wie ein Irrer. Im Anschluss das Gespräch mit dem Arzt. Soweit alles in Ordnung. Ja gut, ein paar Wohlstandsprobleme um Bauchnabel und Hüfte, aber die bekommt der ein oder andere mit zunehmendem Alter halt, sagt zumindest der Arzt.

Nur die Auffälligkeit im EKG, die empfiehlt mir der Arzt, die solle ich besser im Auge behalten. Er empfiehlt mir, mit meinem Hausarzt eine engmaschige Kontrolle dessen.

Wir verabschieden uns freundlich.

Während ich hinausgehe sage ich zu mir "Nichts Schlimmes, sonst hätte der Arzt anders reagiert, es wird schon wieder werden."


Vor einigen Monaten beim gemeinsamen Wandern. Der Weg wird steil und anstrengend. Alle gehen stoisch ihren Takt, ich muss mich nach hinten fallen lassen, mir wird die Luft ein wenig knapp, in der Brust fühlt es sich seltsam an, das Herz scheint zu ruckeln wie ein unrund laufender Motor. Ich habe sofort eine Erklärung parat. "Kein Wunder, wenig getrunken, die Anstrengung, die warmen Temperaturen, es wird schon wieder." Vor ein paar Wochen, die Treppe zur Wohnung eines Freundes schnell zwei Etagen nach oben. Auch dort war es so. Ein seltsames Gefühl in der Brust. Oben angekommen japse ich erst einmal nach Luft. "Die Spätblüher, mein Heuschnupfen," relativiere ich mich. "Es wird schon wieder."

Heute Morgen.

Da ist es wieder, dieses seltsame Gefühl in der Brust.

Etwas stolpert, fühlt sich nicht richtig an.

"Es wird schon wieder" - wirklich? Ich halte einen Moment in der Küche inne.

Wie oft möchte ich eigentlich dieses "Es wird schon wieder" noch so vor mich herplappern?

Etwas später sitze ich bei einer Tasse Kaffee und spüre in mich hinein, versuche diesem seltsamen Gefühl in der Brust noch einmal hinterherzufühlen.

Dann geschieht etwas Seltenes. Ich gehe ins Bad, stelle mich vor den Spiegel und schaue mir tief in die Augen während ich dieses unsägliche "Es wird schon wieder" wiederhole.

Natürlich erwische ich mich beim Flunkern, wäre ja auch zu schön, wenn ich damit durchkommen würde.


Ich bin gut darin, anderen zu helfen, aber ich bin ganz oft sehr schlecht darin, mir selber guten Rat zu geben. Warum eigentlich?


"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Wieso schaue ich bei diesem Gebot eigentlich immer nur auf den vorderen Teil und wann genau bin ich mir selber aus dem Fokus gerutscht? Es geht doch auch um mich darin. Das hat doch absolut nichts mit Egoismus zu tun. Bin ich mir selber etwa weniger wert?

Und wenn ja, wie will ich dann anderen weiterhin helfen können?


Spannende Fragen schießen mir in den Kopf.

Fragen, die mich sicherlich den ganzen Tag begleiten werden.

Ich hätte mir zwar einen anderen Wochenstart gewünscht, aber offensichtlich gibt es da ein Thema, welches nach Bearbeitung ruft.

Jetzt allerdings rufe ich erst einmal bei meinem Hausarzt an, um einen Termin zu vereinbaren.


Ach, wenn unser eigener Glaube nur viel größer wäre...

Foto © Sascha Nikolas Berger

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